Das berühmte Café Westend hat am Donnerstag seine Pforten geschlossen – für immer?

Foto: Helmut Spudich

Es gibt viele legendäre Kaffeehäuser in Wien. Sie alle bieten, was man sich neben Melange und breitem Zeitungsangebot von ihnen erwartet: eigenständigen Charme, authentische Atmosphäre und ein bunt zusammengewürfeltes Publikum.

Aber im Prückel mit Nähe zur Uni für angewandte Kunst weilt eher die urbane Bohème. Das schicke Landtmann frequentieren neben Touristen besonders viele Angehörige der Politik- und Medienblase. Und im Central lässt sich ein Kaffee nur noch nach langem Anstellen in der Warteschlange trinken, seit Instagram-Influencerinnen das spektakuläre Deckengewölbe entdeckt haben.

Das Café Westend ist aus mehreren Gründen anders. Durch seine Lage zwischen Westbahnhof und der Einkaufsmeile Mariahilfer Straße, zwischen Vor- und Innenstadt, zog das Westend ein so diverses Publikum an wie kaum ein anderes Wiener Kaffeehaus. Nun muss es wegen zu hoher Kosten und zu weniger Gäste nach mehr als 120 Jahren zusperren. Damit würde der Stadt mehr als nur ein weiteres Kaffeehaus verloren gehen.

Soziale Durchmischung

Der Hofrat, der zum Mittagessen kommt, die Studentinnen-Runde beim Gemeinschaftslernen, der Punk, der sich am Bahnhof ein paar Münzen für den Kaffee zusammengeschnorrt hat: Die soziale Durchmischung war neben hohen Stuckdecken und klassischen Lustern immer die Hauptattraktion des Westend – auch wenn das nicht so zahlungskräftige Publikum nach der Neuübernahme und Renovierung vor vier Jahren merklich weniger geworden war.

Glanz und Patina der behutsam renovierten Räume sind ein kultureller Wert, die niederschwellige Durchmischung gesellschaftlicher Milieus ein sozialer. Beides sollte nicht einfach zu Ende gehen, nur weil der Markt die Finanzierung nicht mehr trägt.

Das Westend ist nicht nur ein Lokal. Es ist eine Wiener Institution, ein Wahrzeichen der Stadt. Schon aus Eigeninteresse müsste die Stadt Wien versuchen, es zu erhalten. Beim Café Ritter in Ottakring, das in der Pandemie ebenfalls vor der Schließung stand, ist das mit Mitteln der Stadt gelungen. Beim Westend sollte es ebenfalls funktionieren. Denn es ist Teil des kulturellen Erbes dieser Stadt. (Martin Tschiderer, 1.7.2022)